Wirtschaftsmagazin für die frauenärztliche Praxis 5/2024
MEDIZIN
Welche gesundheitlichen Vorteile bietet der Mikrobiom-Austausch beim Koitus? Immer mehr junge Menschen verwenden Kondome anstatt der Pille zur Verhütung. 1 Der Autor erlebte als Jugendlicher die Pilleneinführung fast als Euphorie bei Gleichaltrigen, denn sie bedeutete keine Furcht mehr vor ungewollter Schwangerschaft. Daher befasst sich dieser Beitrag mit einem neuen Aspekt der Pillennutzung, der für feste und verlässliche Paarbeziehungen relevant sein kann: dem gesundheitlichen Vorteil der „Mikrobiom-Übertragung“ beim Koitus ohne Kondom.
Jeder Mensch hin terlässt Spuren sei nes Mikrobioms, so auch in einer engen Paarbeziehung.
D ie Bundeszentrale für gesundheit liche Aufklärung (BZgA) machte 2023 eine Umfrage zur Kontrazeption mit für den Autor überraschendem Er gebnis: 1 Kondome werden häufiger ge nutzt als die Pille (53 % zu 38 %). In den zwölf Jahren seit der letzten Befragung 2011 nahm bei den 18- bis 29-Jährigen die Pillennutzung von 72 % auf 46 % ab. Für die BZgA ist weniger die Furcht vor venerischen Erkrankungen, sondern die
Auch bei der vaginalen Geburt er fährt das Neugeborene durch mütter liches Scheidensekret einen massiven Mikrobiom-Austausch mit Millionen von mütterlichen Bakterien, was die schnelle Entwicklung des kindlichen Immunsys tems fördert.
Furcht vor Hormonen in der Pille rele vant für diesen Rückgang. Der Geschlechtsverkehr ohne Kondom in einer festen und verlässlichen Paarbezie hung führt jedoch zu einem Mikrobiom Austausch, der von gesundheitlichem Nut zen sein kann. Beim Mikrobiom (s. auch Infobox) wird primär an jenes im Darm gedacht. Dieses kann z.B. für medizinische Zwe cke eingesetzt werden. So erfolgt beim fäkalen Mikrobiom-Transfer (FMT) eine Übertragung des Mikrobioms eines gesunden Stuhlspenders auf einen er krankten Empfänger, was klinisch erfolg reich z.B. bei Colitis ulcerosa angewendet wird. Ein Mikrobiom, das auf diese Weise transferiert wird, ist bei uns als Medika ment eingestuft und somit gilt das Arz neimittelgesetz. Aus Sicherheitsgründen besteht eine Anzeigepflicht solcher Thera pien bei den zuständigen Behörden.
Mikrobiom als „bakterieller Fingerabdruck“
Warum dieser einleitende Exkurs? Koitus ohne Kondom beeinflusst auch das Mikro biom in der Partnerbeziehung. Das kann in den meisten Fällen positive somatische und psychosoziale Auswirkungen haben. Hier ist ein Mikrobiom-Austausch nicht primär mit einem Risiko gleichzusetzen. Jeder Mensch hinterlässt Spuren sei nes Mikrobioms, denn es wird mehr oder minder intensiv auf andere Personen über tragen. Jeder drückt seiner nächsten und
Wichtig Zu beachten ist allerdings, dass
Kondome den besten Schutz vor einer Ansteckung mit dem Humanen Immun defizienz-Virus (HIV) und vielen anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen bieten und bei wechselnden Partner schaften dringend angeraten sind.
BILD(ER): PINKCOFFEE STUDIO – SHUTTERSTOCK
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